Donnerstag, 17. Februar 2011

Streitpunkt In-App-Purchase: Warum Apple nicht anders kann ...

Seit Tagen, gar Wochen geistert das Thema durch die IT Seiten, Blogs, Foren und Comments. Es geht um Apples Richtlinien zum Thema in-app-purchase, bzw der damit verbundenen Beteiligung für in-App angebotene Artikel. Die einen sehen nicht ein, wofür Apple konstant 30% Verkaufsbeteiligung einbehalten will. Andere sehen darin kein Problem, da auch der Anbieter einen entsprechenden Service nutzt, den Apple bereitstellt, ja in diesem Maße überhaupt erst geschaffen hat. Manch einem gehts nur ums Prinzip, anderen nur um die Abo Modelle, ganz anderen wiederum nur um die prozentuale Höhe. Alle haben ein unwohles Gefühl weil schließlich vom "Zwang" die Rede ist.

Halten wir an dieser Stelle doch mal einen Umstand fest, der in vielen Berichten (und den hitzigen Diskussionen im Anschluß) zu kurz kommt. Es geht nämlich, wie einige denken, in keinem Fall darum, dass Apple die Anbieter zwingen will *ausschließlich* die In-App-Purchase Engine zur Abwicklung zu nutzen. Es geht vor allem darum, dass Anbieter, die bisher aus den Apps heraus eine Kaufabwicklung ausschließlich über ihr eigenes System anbieten, zukünftig den ingame-purchase über Apple *zusätzlich* als *weitere Option* in der App anbieten sollen. Und genau an der Stelle frage ich mich: Was soll die Diskussion? Wenn wir doch alle so viel Wert auf "freie Entscheidung" und "Mündigkeit" legen - ja wie zum Geier kann man das denn besser praktizieren, als die Wahl zu haben, ob man den Kauf über den Anbieter oder über Apple abwickelt?

BEIDE Varianten wären dann gleichberechtigt in den entsprechenden Apps enthalten. Den Knackpunkt erkennen die Verlage allerdings schnell selber. In einem entsprechendem heise Artikel (Verleger reagieren auf In-App-Zwang) heisst es:
"Erfahrungsgemäß bevorzugen die meisten App-Nutzer eine Bestellung direkt in der Anwendung gegenüber dem Umweg etwa auf Website des Anbieters."
Was genau kann man daraus schließen? Etwa das hier doch ein zusätzlicher Service geboten wird, der den Verlagen Kunden und Umsatz generiert, welchen sie ohne diesen Service gar nicht hätten? Ist diese Erkenntnis nicht ein Eingeständniss, dass man es bis heute NICHT geschafft hat, eine attraktive Lösung anzubieten, welche der AppStore Abwicklung paroli bieten kann? Wenn von Seitens Apple nun gar kein besonderer Service erbracht wird - wieso sind dann unterm Strich alle so scharf drauf, den Vertrieb ihrer Inhalte aus den Apps heraus zu betreiben?
Die Wahrheit ist: Der AppStore ist dank des gesamten Ökosystems eine Goldgrube. Die Verlage wissen das und wollen auf Umsätze aus diesem nicht verzichten, und Apple weiß das auch - und sieht gar nicht ein, am Ende als einziger leer auszugehen, während sich andere im, - und am eigenen Ökosystem eine goldene Nase verdienen.
Es gibt aber noch mehr Gründe weshalb der Kunde (mutmaßlich) zu Großteilen die Apple eigene Abrechnung benutzen wird, obwohl die Anbieter gleichberechtigt ihre eigenen Möglichkeiten integrieren können. Man kommt heutzutage im Internet ja schon nichtmehr drumrum mindestens einem Anbieter seine persönlichen Daten anzuvertrauen. Vielleicht sind einige Kunden einfach nicht bereit ihre Daten noch einem Anbieter, noch einer Datenkrake, noch einem Dienstleister auf dem Tablet zu servieren. Allein Apple mit seinen Daten auszustatten dürfte bei einigen schon für Bauchschmerzen sorgen bzw gesorgt haben. Man hat aber mittelfristig die (gute) Erfahrung gemacht, das das Abrechnungssystem funktioniert, sich das Spamaufkommen im Anschluß nicht merklich multipliziert, es zuverlässige Abläufe gibt und man die Verteilung seiner privaten Daten in einem überschaubaren Maß hält. Apple bietet hier weit mehr als nur einen reinen Abrechnungsdienst. Es bietet ein System, welches in der Lage ist, Inhalte an Leute zu verkaufen, die diese Inhalte auf anderem Wege nicht kaufen würden.

Den größten Aspekt des in Zukunft verschärften Reglements allerdings wird Apple so wohl nie publizieren, aber sprechen wir es doch hier - ganz spekulativ und subjektiv betrachtet - mal aus: Schmarotzer!  Es sind sicher nicht die Amazons dieser Welt gewesen, die Apple zu diesem Schritt bewegt haben. Im Grunde genommen sind diese wohl auch nur leidtragende. Der AppStore hat aber eine enorme Entwicklung genommen und dabei sicher auch Wendungen erfahren, welche selbst Apple in diesem Umfang überrascht haben dürften.

Am Anfang stand der Deal:
"Ihr könnt hier euer Zeug verkaufen, wir sorgen dafür die Plattform technisch und aus Benutzersicht einfach und attraktiv zu gestalten und prominent in unseren Geräten unterzubringen, was euch Scharen neuer Käufer bescheren wird. Dafür behalten wir 30% vom Umsatz". Es gibt wohl kaum einen Vertriebsweg auf dieser Welt, wo 70% direkt beim Anbieter landen, außer dem Direktvertrieb, welcher aus mangelnder Reichweite allerdings nur einen Bruchteil der Umsätze generieren kann.  WIE positiv sich der Verkauf über den AppStore auswirken kann, zeigen auch Beispiele aus dem Mac Pendant, welcher erst im Januar startete, aber bereits wenige Tagen/Wochen später Schlagzeilen und Artikel generierte wie: Zahlen zum Mac-Appstore, Pixelmator verdient eine Million Dollar im Mac App Store60 Apps pro iOS-Gerät ,Verkäufe im App Store entwickeln sich, u.a. Man möge sich mal die Zahlen auf der Zunge zergehen lassen, von denen hier berichtet wird. Von 20.000 Dollar pro Tag selbst für kleine Entwickler, bis hin zur kompletten Million in wenigen Tagen. Man kann nur erahnen um welche Summen es im aktuellen Streit geht, wo deutlich schwergewichtigere Parteien im Ring stehen, als der "kleine App Entwickler" mit seiner 20 Euro Shareware.
Hier gehts jedenfalls nicht darum, dass man von seinen kargen Einnahmen auch noch was abgeben muß. Hier werden Umsätze und Gewinne in einer Höhe generiert, die es ohne nicht ansatzweise geben würde.

Das trojanische Pferd:
Zu Beginn hat das Ganze wunderbar funktioniert. Eine win-win-win Situation. Alle waren zufrieden. Die Anbieter. Die Kunden. Apple. Es dauerte aber nicht lange und die ersten Schmarotzer machten sich breit. Eifrige Gelegenheits-App-Tester können sicher bestätigen, wie nach und nach eine besondere Spezies im App-Store auftauchte. Statt eine App für einen entsprechenden Preis im Store anzubieten und somit Apple einfach ein verdientes Stück vom Kuchen abzugeben, nutzte man schamlos die Möglichkeit Apps kostenlos unters Volk bringen zu können, und dem Kunden letztendlich diverse Abo Fallen unterzujubeln. Die erste Generation Schmarotzer, meist noch in Form eines im Grunde nutzlosen Schädlings war geboren. Dies war allerdings nur der Startschuß für einige andere, bisweilen selbst seriöse Anbieter, welche die Gelegenheit erkannten: Die dummen Leute bei Apple verteilen unsere App prominent  platziert und in einer nie geahnten Stückzahl schön kostenlos unters Volk und unseren "eigentlichen, kostenpflichtigen" Dienst vertickern wir dann dort über 'ne Weiterleitung, schön zu 100% in die eigene Tasche.
Im Grunde genommen eine moderne Form des trojanischen Pferdes. Die kostenlosen Apps nahmen sprunghaft zu - und zu gleichen Teilen auch die darin angebotenen kostenpflichtigen Service Dienstleistungen. Klar, einem so erfolgsversprechenden Markt wie den Vertrieb seines Contents über das Ökosystem AppStore wollte sich keiner entgehen lassen. Und alle dürfen offenbar legitim daran verdienen. Nur wenn Apple selbst den Finger hebt und sagt "Ey, so war das aber ursprünglich nicht gedacht" und am eigenen System mitverdienen will - DANN geht ein Aufschrei durch die  doppelmoralische und scheinheilige Medienwelt.
Nun hat Apple aber nicht vor, sich wie einst Troja von den Griechen überrumpeln zu lassen. Es ist quasi ihr Haus, wohin sie sich Gäste aus aller Welt geladen haben und Händlern die Möglichkeit geben, gegen einen Obolus ihre Waren dort vor großem Publikum feil zu bieten. Der Markt entwickelt sich aber tatsächlich dahin, dass sich Gäste und Händler übers Buffet hermachen, sich an Wein und Trauben laben und dann den Gästen Zettel in die Taschen gesteckt werden, mit der Anleitung wo man sich am besten zum Handel trifft ohne dem Gastgeber seinen verdienten Anteil zukommen zu lassen.

Was einst im kleinen Rahmen zu vernachlässigende Einzelfälle waren, ist mittlerweile zu einer Marktentwicklung geworden, die OHNE eine entsprechende Regelung eine nicht vermeidbare und absehbaren Konsequenz nach sich zieht: Im und über den AppStore verdient die ganze Welt. Nur Apple geht leer aus. Deshalb hat Apple gar keine andere Wahl als zu reagieren und die Regelung zu modifizieren und vor allem durchzusetzen. Ich hätte auch keinen Bock mit anzusehen, wie mein Laden in bester Lage zu einer, mit 'ner Flyer und Handzetteln beklebten Bude wird, in der jeder kostenlos für seine Produkte wirbt, die es für gutes Geld zwei Ecken weiter zu kaufen gibt, in 'nem Laden von dem sonst keiner Notiz nehmen würde. Auf dem Heimweg gehen die Händler dann noch Geldbündel zählend an meinem Schaufenster vorbei. Mit einem hämischen "Dankeschön" und einem schallendem Lachen über den Idioten, der sich von allen zum Napp machen lässt. Jeder weiß, das sie 90% ihrer Kunden und Verkäufe ohne mich und meinen Laden gar nicht hätten. Nur hilft mir das nicht dabei, wenn meine Kasse am Ende leer bleibt.

Leute wacht auf. Wir leben im Kapitalismus. Und der Anspruch Apples mitzuverdienen ist legitim. Ob es nun bei Abo Modellen gleich 30% sein müssen mag diskussionswürdig sein. Ob die Art und Weise mit der man versucht seine Ansprüche durchzusetzen legitim ist, mag ebenso diskussionswürdig sein.
Aber die Forderung die eigene Abrechnunsgvariante als *zusätzliche* Option (!) einzubauen, lässt sich nicht verteufeln weil, ... ja eben weil es da draußen einfach zuviel Schmarotzer gibt, die sich sofort auf jede sich ihnen bietende Lücke stürzen, wenn diese nicht vehement genug geschlossen, bzw eben definiert ist. Apple hat bis vor kurzem viel Kulanz walten lassen und Ausnahmefälle durchgewunken. War damit aber auch drauf und dran von einer lawinenhaftigen Marktentwicklung überrollt zu werden und am Ende das Nachsehen zu haben. Dies gilt es für Apple nun abzuwenden, denn das Konzept des AppStores ist natürlich für Apple als gewinnorientiertes Unternehmen nur dann interessant, wenn damit auch Gewinn erwirtschaftet werden kann. Und die Contentanbieter sollen doch bitte schön nicht so tun, als wäre es nicht einfach nur ihre Gier nach dem ganzen Kuchen, der sie jetzt auf die Barrikaden gehen lässt.
Ja auch ich habe mir mehr Fingerspitzengefühl und mögliche Kompromisslösungen (von beiden Seiten) versprochen. Danach sieht es im Moment wohl nicht aus. Da streiten nun die einen die nichts abgeben wollen mit denen, die nicht leer ausgehen wollen. Dabei verstehen es die Inhalteanbieter bisweilen vortrefflich das Augenmerk auf Nebenkriegsschauplätze zu lenken, während der Kompromissvorschlag von Seitens Apple wohl schon darin besteht, eigene Abrechnungsmöglichkeiten von Anbietern zuzulassen WENN, - ja wenn eine ZUSÄTZLICHE, gleichberechtigte Alternative in Form des In-App-Purchase über Apples Abrechnungssystem angeboten wird. Für mich als Kunden eigentlich die optimalste aller Lösungen.

Es bleibt spannend ob sich die Parteien hier in naher Zukunft aufeinander zubewegen, oder Anbieter ihre Angebote zurückziehen, oder gar Gerichte darüber entscheiden müssen. Apple kann gar nicht anders als auf die zusätzliche Option als kleinsten gemeinsamen Nenner zu bestehen, wenn sie nicht im eigenen Haus nur noch die Rolle des Statisten und kostenfreien Werbeträgers einnehmen wollen. Denn nichts anderes wäre der AppStore dann. Eine bunte Litfaßsäule wo jeder kostenlos seine Werbezettel für seine kostenpflichtigen externen Dienste dran pappt.

Es bleibt auf jeden Fall spannend :-)


Weiterführende Links/Diskussionen
- Flo's Weblog: Apple startet In-App Abonnenments
- fscklog: Apple gibt In-App-Kauf-Zwangs-Bombe offiziell bekannt

1 Kommentar:

  1. Ja was denn nun? soll/Muss das ganze "als gleichberechtigte Option" angeboten werden - wie auf heise und fscklog in diversen Artikeln zu lesen? Oder darf der eigene verkauf GAR NICHT angeboten werden? Siehe den hinweis bei fsck "Ein Verweis auf die externe Kaufmöglichkeit innerhalb der App ist nicht zulässig."

    atm seh ich nichtmal ansatzweise durch, es kursieren meldungen die sich diesbezüglich innerhlab weniger zeilen wiedersprechen

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